Vor einiger Zeit, als die Tage noch kürzer und kälter waren, habe ich ein Buch durchlesen können, das ich jetzt vorstellen möchte. „Marie anderswie“ heißt das Stück lesbischer Gegenwartsliteratur und wurde geschrieben von der österreichischen Autorin Carolin Schairer (Ellen, Die Spitzenkandidatin, Lass keine Fremde ins Haus). Die rund 300 Seiten sind im März 2010 im Ulrike Helmer Verlag erschienen und im (sehr) gut sortierten Buchhandel zu finden.
Kurz zum Inhalt: Sarah baut mit Vatis Auto einen Unfall. Als Wiedergutmachung muss die Studentin dafür der Molekulargenetikerin Dr. Marie Felder die Stadt zeigen, damit diese den Vertrag im Institut ihres Vaters unterschreibt. Keine leichte Aufgabe denn Marie glänzt trotz ihrer hohen Intelligenz nicht durch Kommunikation und Wortgewandtheit, sondern eher durch eine ausgeprägte Introvertiertheit. Ganz im Gegenteil zu Sarah, die Kunstgeschichte studiert, in der Galerie ihrer Tante arbeitet und am liebsten mit ihren Freunden Abends feiern geht. Doch schnell merkt Sarah das mehr hinter der Schüchternheit von Marie steckt. Und auch das Marie mehr für sie ist, als nur ein Gefallen den Sie ihrem Vater schuldet.
Im Grunde dreht sich die Geschichte um zwei wichtige Punkte. Einmal das Coming-Out von Sarah und die Verbindung zwischen der unter Autismus leidenden Marie (das wird bereits im Klappentext verraten, deswegen tue ich es hier auch) und der jungen lebhaften Sarah. Wie eigentlich von Carolin Schairer gewohnt ist der Roman gut geschrieben und schön zu lesen. Trotzdem wurde ich nicht so richtig warm mit der Geschichte. Ich habe das Buch zwar gerne gelesen, aber so richtig gepackt hat es mich und ich brauchte auch einen Moment um zu erkennen woran es lag.
Wirklich gut gefallen hat mir die Annährung von Marie und Sarah und der Kontrast zwischen den Wünschen der unerfahren und recht romantischen Sarah und der verschlossenen Marie. Eine Konstellation die mal neu war und die auch ein höheres ‚eindenken‘ von der Leserin verlangte. War jedenfalls bei mir so. Meine Freundin fand die Verbindung etwas ‚einseitig‘, wo ich ihr jetzt auch zustimmen würde, allerdings fand ich das weniger störend. Die Liebe ist halt nicht immer leicht und unbeschwert. Das man sich im Verlauf der Geschichte an manchen stellen wünscht, die beiden würden doch irgendwie anders handeln, ist natürlich eine andere Sache.
Weniger gefallen – und das ist auch mit ein Grund weswegen ich keine 10 Punkte mit Sternchen vergeben würde – hat mir die Coming Out Story. Gefühlt beinhalten derzeit 3 von 4 Büchern der Kategorie Lesbische Literatur eine Coming Out Story und in der Regel laufen Sie auch alle nach einem ähnlich vorhersehbaren Schema ab – da kann man im Prinzip an manchen Stellen ‚mitreden‘ weil man das so oft gelesen oder gesehen hat. Und das Buch reiht sich da nahtlos ein. Das ich generell genervt bin von Comig Out Geschichten, da kann das Buch natürlich nichts für, aber aus meiner Sicht hätte es dem Buch deutlich besser getan das Potenzial dieser frischen unverbrauchten und interessanten Idee allein zu nutzen. Zumal bei der Coming-Out Story auch recht viel in die alt bekannte Klischeekiste gegriffen wird.
Empfehlen würde ich das Buch trotzdem, da es einfach eine gute und vor allen Dingen auch schön erzählte Geschichte ist. Fans von leichten und seichten Liebesromanzen könnten etwas enttäuscht auch, denn auch wenn das Buch manchmal versucht ein wenig so zu sein, schneidet es doch sehr viele ernste Themen an. Das entdecken der ersten (schwierigen) Liebe, (fehlende) Empathie, dem zurückstellen und erkennen eigener Bedürfnisse und vieles mehr wird angeschnitten. Insgesamt habe ich auch sehr viel über das Buch nachgedacht – auch nach dem lesen beschäftige es mich noch.